Andreas Reichelt ist ein kreativer Geist. Ein Geschichtenerzähler mit vielseitigen Interessen. Der Dozent, Buchautor, Journalist und Filmemacher erfuhr am eigenen Leib, was es heißt, als Kreativer von der Corona Pandemie betroffen zu sein. Während der Vorbereitungen zu seinem Dokumentarfilm kam die Pandemie und schließlich der Lockdown. Zu guter Letzt starben zwei seiner geplanten Interviewpartner direkt vor Drehbeginn. Selbst das hat ihn nicht von den Dreharbeiten zu seinem Film abgehalten. Andreas Reichelt wollte diese Geschichte erzählen. Entstanden ist ein Stück Zeitgeschichte: beeindruckend, nachdenklich und zeitlos schön. Wir trafen Andreas Reichelt anlässlich der bevorstehenden Premiere am 21.11.20 von „Kulturschatz – Künstler in Bayern“ zum Interview.
MMN: Die erste Frage habe ich mir gleich mal von Matze Hielscher geliehen: Wenn wir uns an einer Hotelbar zufällig treffen und uns noch nicht kennen würden, wie würdest Du mir dich beschreiben?
Andreas Reichelt: Das ist gleich mal eine schwere Frage. Ich bin ein Mensch mit klaren Prioritäten. Die Familie und mein persönliches Verhältnis zum Schöpfer stehen an oberster Stelle – daher beschäftigen wir uns als Familie auch so gerne mit der Natur.
Daneben bin ich ein kreativer und gleichzeitig rastloser Geist. Zwei Tage die Woche dem gleichen Beruf nachzugehen empfinde ich als Folter. Daher arbeite ich nach wie vor therapeutisch, schreibe Romane und Kinderbücher, mache Filme und arbeite freiberuflich als Journalist für verschiedene Medien. Drei TV-Sender, ein Print-Magazin, ein Online Magazin, ein Musikmagazin … Außerdem lerne ich für mein Leben gern dazu, habe ständig irgendwelche privaten Studienprojekte und mache laufend Kurse – mal als Schüler, mal als Dozent. Ich habe mal einen Spruch gelesen: „Wenn man in einer Sache ein Meister geworden ist, sollte man in einer neuen Sache Schüler werden.“ Finde ich gut.
MMN: Warum bist Du Filmemacher geworden?
Andreas Reichelt: Ich stamme aus einer Künstlerfamilie und bin allein schon von daher visuell veranlagt. Außerdem bin ich ein Geschichtenerzähler. Der Gedanke, dass sich jemand wegen meiner Bücher oder Filme besser fühlt, begeistert mich. So sind dann auch meine Filme angelegt: in „leisen Tönen“ erzählt, die Menschen und Ihre Heimat im Fokus.
Ich kann mich unglaublich für die Geschichten anderer begeistern. Für das, was sie machen, zu erzählen haben. Vor ein paar Jahren habe ich beim Fernsehen eine Talkshow moderiert. Zu Gast war „Woid Woife“. Wir haben über seine Art gesprochen, an die Natur heranzugehen. Als die Sendung in die Mediathek kam, kommentierte ein Zuschauer, dass es sehr angenehm sei, dass der Gast mal ausreden durfte. Was im heutigen Fernsehen wohl selten ist.
Das ist quasi symptomatisch: Dahinter steht nämlich, dass die allermeisten TV-Journalisten sich selbst präsentieren. Es sind schon viele Selbstdarsteller dabei. Ich finde aber, dass eine Sendung dann gut war, wenn sich der Zuschauer hinterher nur noch an die Geschichte des Protagonisten erinnert, aber nicht mehr genau sagen kann, wer die Sendung eigentlich moderiert hat.
Sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, das wäre eine Eigenschaft, die dem heutigen Fernsehen gut täte.
MMN: Warum hast Du diesen Film gemacht?
Andreas Reichelt: Ein erster Gedanke war, dass ich endlich mal einen Film so gestalten wollte, wie ich ihn selbst gern sehen würde. Wie eben schon gesagt, wollte ich die Protagonisten absolut in den Fokus stellen. Gut aussehen lassen. Nicht aus allem eine Sensation machen, sondern einfach mal die Menschen erzählen lassen. Ihnen eine Plattform bieten.
In meiner Zeit als Videojournalist und später als Producer bei Niederbayern TV habe ich eine ganze Reihe beeindruckende Menschen kennengelernt. Und mich an verschiedenen Formaten versuchen können. Am meisten Freude hatte ich dabei, Menschen zu porträtieren.
Was mir beim Fernsehen eher schwer fiel, war die Kürze der Beiträge. So entstand die Idee, mit Personenporträts einen ganzen Film zu füllen.
MMN: Wie hat Corona die Dreharbeiten/das Projekt beeinflusst?
Andreas Reichelt: Es hat enorm Einfluss auf den Film genommen. Eigentlich wollte ich 5 Künstler bei ihrer Arbeit begleiten. Also bei Studioaufnahmen, Vernissagen, Lesungen, … Doch dann kam Corona und nichts davon fand statt. Mir blieb nur die Möglichkeit, im Freien zu filmen und Interviews zu führen. Ich konnte auch nicht im Team auftreten, sondern musste das Equipment so wählen, dass ich völlig allein wohin fahren und drehen konnte.
Irgendwann war ich an einem Punkt, wo ich mir nicht mehr sicher war, ob ich den Film überhaupt noch machen soll. Dann habe ich mich an die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm gewandt, bei der ich auch Mitglied bin.
Die Kollegen dort haben mir entscheidende Impulse gegeben. „Mach Corona im Film zum Thema. Zeig es im Bild.“ Das war so die Quintessenz. Also habe ich statt Ansteckmikro ein Stabmikro mit Teleskopstange verwendet. Das Mikro mit Folie möglichst unsauber umwickelt, so dass es einfach auffiel. Einzelne Aufnahmen mit Mundschutz in den Film gepackt. So dass es weniger eine „romantische“ Darstellung der künstlerischen Arbeit wurde, als ein echtes Zeitdokument.
Außerdem habe ich mich auf Landschaftsaufnahmen konzentriert – ich wollte quasi darstellen, warum die jeweiligen Künstler hier auf dem Land leben und arbeiten.
MMN: Was war bei der Arbeit zum Film die größte Überraschung für dich?
Andreas Reichelt: Ich stand ja nicht allein unter dem Einfluss der Pandemie. Auch die Künstler waren betroffen. In jedem Gespräch hat sich eine Bindung zwischen den Interviewpartnern und mir entwickelt. Die Nachdenklichkeit und gleichzeitig die Liebe zur Natur und zur Kunst wurde in den Gesprächen dann wirklich spürbar. So hat der Film einen Charakter bekommen, der mich selbst total überrascht hat.
Im Schnitt habe ich dann diesen Charakter durch ganz wenig Off-Text und einen „leisen Erzählstil“ zu transportieren versucht.
Am meisten haben mich dann aber die Reaktionen derer berührt, die den Film vorab zu sehen bekamen. Ich habe viel Euphorie zu spüren bekommen. Und das war echt schön!
MMN: Warum veröffentlichst Du ihn gerade jetzt? Hätte man den Film nicht auch nach Corona veröffentlichen können?
Andreas Reichelt: Na ja, Corona wurde irgendwie zum Thema. Den Film erst nach Corona zu zeigen, war keine Option.
Außerdem muss man ja auch sagen, dass Kulturschaffende JETZT eine Aufmunterung und Unterstützung brauchen. Ich schreibe ja selbst auch Romane und als Filmemacher und Journalist gehöre ich in die Kategorie „Kulturschaffender“. Uns bricht gerade alles weg. Wenn ich da meine Kollegen etwas unterstützen kann, umso besser.
Das ist übrigens auch ein Grund dafür, dass ich den Film kostenfrei den Zuschauern zur Verfügung stellen möchte. Es soll jeder sehen können.
MMN: Gab es etwas, was Du von all diesen Künstlern lernen konntest?
Andreas Reichelt: Ja, tatsächlich. Ich habe gelernt, dass Künstler unterschiedlich ticken. Diesen „kreativen Geist“ als Typus gibt es nicht. Ein Künstler braucht das Publikum, ein anderer übt die Kunst nur für sich aus, wieder ein andere muss einfach auf der emotionalen Welle reiten, die sich durch seinen Sinn für Ästhetik ergibt … Ich empfinde für jede dieser Haltung Sympathie. Es waren durchweg schöne und angenehme Drehs.
MMN: Ist schon eine Fortsetzung geplant?
Andreas Reichelt: Ja. Darauf hat mich Andrea Hailer von soulkino gebracht. Sie meinte sinngemäß, mein Film präsentiere eine wichtige Botschaft, die auf eine Art umgesetzt wurde, die Freundlichkeit und Achtsamkeit zeige. Es wäre eigentlich ein Stoff für eine Serie.
Und tatsächlich: Eigentlich ist der Film ein eigenes Format. Und ich kann voller Vorfreude sagen: Es wird nächstes Jahr einen weiteren „kulturschatz“ geben. Einige Protagonisten stehen auch schon fest. Ich freue mich riesig darauf!
Hier geht es zur Premiere auf YouTube am 21.11.2020: https://youtu.be/KQcRkVKuKVw
„Kulturschatz – Künstler in Bayern“ ansehen
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